Die zunehmend schlechten Entscheidungen des Todd Margaret

Es ist keine einfache oder gar lineare Geschichte, die sich David Cross (ja, genau: Tobias Fünke aus Arrested Development) gemeinsam mit Mark Chappell und Shaun Pye ausgedacht hat. Im Original heißt sie „The increasingly poor decisions of Todd Margaret„.

Die Rezension muss daher etwas länger ausfallen als gewohnt, um dieser großartigen Komödie gerecht zu werden. Ich bitte um Nachsicht bzw. trotzdemige Beachtung.

Todd Margaret? Wer soll das sein?

David Cross und Will Arnett in "The increasingly poor decisions of Todd Margaret"
David Cross und Will Arnett in „The increasingly poor decisions of Todd Margaret“

Der begnadete David Cross spielt Todd Margaret, einen von Erfolg in jedweder Kategorie gänzlich unberührten Amerikaner, der sich eines Tages mit der Aufgabe konfrontiert sieht, als Manager ins ferne England zu ziehen und dort den Vertrieb eines nordkoreanischen Energiegetränks aufzubauen. Jede Episode beginnt damit, dass Todd vor Gericht steht während der Richter die Anklagepunkte verliest (Staffel 1) bzw. dass Todd offentsichtlich in einem nordkoreanischen Militärbunker auf einen blinkenden roten Knopf drückt (Staffel 2). Daran schließt sich dann die eigentliche Geschichte an, die schildert, wie es zu der jeweils vorweggenommenen Endszene kommen konnte.

Und das ist ein wilder Ritt.

The increasingly poor decisions of Todd Margaret
Hauptcast der guten Serie „The increasingly poor decisions of Todd Margaret“

Todd möchte alles richtig machen, und gerade das wird ihm zum Verhängnis.
Um den Thundermuscle-Job zu bekommen, lügt Todd seinem Boss (dem begnadeten Will Arnett, Ex der nicht minder lustigen Amy Poehler) vor, er sei in – ausgerechnet – Leeds aufgewachsen und daher geradezu schicksalhaft prädestiniert für die erwähnte Vertriebsaufgabe.

Tatsächlich sah Todd ein Plattencover „the Who live in Leeds“, und improvisierte den Rest in der Hoffnung, seinen Praktikantenjob mit etwas besserem tauschen zu können. Todd lügt sich, einmal in England angekommen, in die Leben seiner neugefundenen Bekanntschaften, der Cafébesitzerin Alice (Sharon Horgan) und Todds einzigem Mitarbeiter, der „Director of Strategies“, Dave (gespielt von Blake Harrison).

Todd ist ein sehr schlechter Lügner. Todd besitzt all das kulturelle Einfühlungsvermögen, das man einem klischeehaften Amerikaner unterstellen darf: nämlich keines. Todd steht unter ständigem Druck, ein radioaktives Blubbergetränk auf einem ihm völlig fremden Markt verkaufen zu müssen, und mit der Cafebesitzerin und Molekularköchin Alice flirten zu wollen. Dass es nicht lange funktioniert, sein stets wachsendes, enormes Lügenkonstrukt (in Leeds geboren, Vater tot, Geschäftsmann, Nussallergie, etc.) aufrecht zu erhalten, kann man sich denken. Der Weg in viele jeweilige kleine Katastrophe, mündend in eine große, fand ich kurzweilig und sehr, sehr witzig.

Erwähnenswert auch die schauspielerische Leistung in den Nebenrollen: Der legandäre Regisseur Spike Jonze als verklemmter, pedantischer Geschäftsführer Doug leistet hier Großartiges. Auch Sara Pascoe in der Rolle von Todds „Chav“-Nachbarin Pam trifft immer voll ins Schwarze: Ihre Entbindung auf Todds Bett bringt gar der Geschichte eine ganz eigene Dimension von Witz. Und bereits kurze Zeit später ist Pam wieder Richtung Nachtleben mit ihren Freundinnen unterwegs – den Säugling unter dem Arm, versteht sich.

Was macht Todd Margaret so sehenswert?

Einen großen Teil des Spaßes, den ich mit Todd Margaret hatte, basiert auf – teils stereotypen – kulturellen Unterschieden zwischen US und UK. Der intrakulturell vollkommen ignorante Todd benimmt sich in London nach Strich und Faden daneben. Beispielsweise wittert Todd, ganz medienbewusster Amerikaner der er ist, eine Promotionchance für seinen obskuren Energydrink ob der vielen TV-Kameras anlässlich der Remembrance Day-Parade in London, ein tatsächlich mit viel Gravitas und großem Ernst begangener Anlass. David Cross erzeugt dadurch große Komik, dass Todd natürlich nicht aus böser Absicht, sondern um sein eigenes Lügenkonstrukt aufrecht zu erhalten bereit ist, weitere schlechte Entscheidung mit einer weiteren Lüge zu rechtfertigen. Eben halt increasingly poor decisions. Die ultimativ – soviel sei verraten – vor Gericht und weiter führen.

Thundermuscle - Donnermuskel
“I will f* the old out of you, right now, all night long… I will… that’s the beauty of Thunder Muscle.”

Auch ein großer Pluspunkt: Die Abwesenheit von Konservenlachern. Cross ist klug genug, auf die Qualität der Witze zu setzen – und kennt aus vielen Jahren Bühnen-Standup das Publikum und weiß, dass Lachkonserven á la Big Bang Theory sowohl unerträglich als auch idiotisch und überflüssig sind. Und als Hauptdarstellung und Produzent (Cross hat eigenes Geld investiert) kann er sich solche in Amerika immer noch mutigen Entscheidungen erlauben.

Aber auch die vielen eingestreuten Einzeiler (in angelsächsischen Komödienzirkeln auch „throwaway lines“ genannt). Vor allem der immer sehr angenehme Will Arnett glänzt hier hell, z.B. ins Hotelbadezimmer entschwindend „I’m going to have a quick pank – that’s a poo and a wank“. Ba-da-tsssssss. Oder: „If there is one thing I learned from Jesus it’s that ghosts hate pentagrams“ – virtuos. Und sehr komisch.

The increasingly poor decisions of Todd Margaret – große Empfehlung

Schließlich noch ein Wort zur Produktion: Das Timing, das Herz-/Kreislaufsystem einer solchen Serie, ist makellos. Die Schnitte sitzen, und man merkt der Produktion an, wie viel Spaß alle Beteiligten hatten. Besonders die Szenen im Gefängnis haben mir sehr gut gefallen. Man merkt, dass hier nicht an gut qualifiziertem Personal gespart wurde.

Das gilt auch für die Musik, die jedenfall teilweise vom sensationellen Johnny Marr (ehemals Gitarrist bei ‚The Smiths‘) eingespielt wurde. Marr steht auch in einer kleinen Nebenrolle vor der Kamera.

Todd Margaret ist u.a. so komisch, weil David Cross sehr weit von allem entfernt ist, wofür Todd steht. David Cross wurde tatsächlich in Leeds geboren, hat sich inzwischen in der wirklichen Welt den Respekt all der Komiker erarbeitet, die bei „Todd Margaret“ mitgespielt haben, und noch vielen weiteren. David Cross ist sozusagen die einzige Person auf dem Planeten Erde, die Todd Margaret glaubhaft spielen kann.

Vor kurzem habe ich erfahren, dass eine dritte Staffel ‚The increasingly poor decisions of Todd Margaret‘ irgendwann 2015 laufen soll. Das ist ja schon mal eine gute Nachricht für die Zukunft (‚vor kurzem‘ ist 2014).

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